BAFF: Vorschläge von OB Würzner zu Bürgerentscheid rechtswidrig

3.1.2021   Im RNZ-Jahresinterview (RNZ, 2912.2020) geht OB Würzner auf den anstehenden Bürgerentscheid gegen die Verlagerung des Ankunftszentrums in die Wolfsgärten ein. Die Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens nehmen zu seinen Äußerungen wie folgt Stellung:
    • Würzner schlägt vor, die Abstimmungsfrage für den Bürgerentscheid um einen längeren Passus zu ergänzen, in dem begründet wird, warum keine andere Fläche als die Wolfsgärten in Frage käme. – Eine solche Ergänzung ist jedoch rechtwidrig.

Hätte das Bürgerbegehren einen solchen Passus enthalten, hätte es rechtlich zwingend für unzulässig erklärt werden müssen. Denn die Abstimmungsfragen dürfen bei Bürgerentscheiden keine Begründung enthalten, weil dies leicht einen manipulativen Charakter annehmen kann. Alle Erläuterungen und Begründungen stehen bei Bürgerbegehren in der Begründung, bei Bürgerentscheiden in der Informationsbroschüre zur Abstimmung. „Ich finde es erstaunlich, dass der Oberbürgermeister rechtswidrige Vorschläge unterbreitet. Er kennt sich offenbar mit den rechtlichen Vorgaben zu Bürgerentscheiden wenig aus“, erklärte Edgar Wunder, Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens und bei Mehr Demokratie e.V. zuständig für die landesweite Beratung von Gemeinden und Bürgerinitiativen zu Bürgerentscheiden.   

    • Würzner erklärte, die Wolfsgärten seien sogar als reguläres Wohngebiet möglich. – Fakt ist: Die Wolfsgärten sind im geltenden Flächennutzungs- und Regionalplan als Wohngebiet nicht zulässig. Sie sind planungsrechtlich lediglich als Gewerbegebiet erlaubt – und selbst für eine gewerbliche Nutzung nicht günstig. Das städtische Klimagutachten 2015 empfiehlt ausdrücklich, das Gebiet am Heidelberger Autobahnkreuz als Kaltluftschneise zu erhalten und nicht zu bebauen. Im städtischen Lärmgutachten weist dieses Areal höchste Lärm-Werte auf. Diese Pläne und Gutachten hat die Stadt Heidelberg selbst beauftragt, oder sie hat daran mitgewirkt. „Warum der Oberbürgermeister all das ignoriert und stattdessen nun ein Wohngebiet in die Diskussion bringt, obwohl er genau weiß, dass das planungsrechtlich dort gar nicht zulässig wäre, ist schwer nachvollziehbar“, erklärte Dorothee Hildebrandt als Vertrauensperson des Bürgerbegehrens.

    • Würzner erklärte weiter, er werde nach einer Niederlage beim Bürgerentscheid dem Land mitteilen, dass Heidelberg keine andere Fläche habe. Gleichzeitig kritisierte er die Landtagsabgeordnete Theresia Bauer, dass sie sich in die Diskussion eingemischt und sich gegen die Wolfsgärten ausgesprochen habe. – Dazu ist festzuhalten:  Welches Areal in Heidelberg für ein Ankunftszentrum bereitgestellt wird, entscheidet immer noch der Gemeinderat, nicht der Oberbürgermeister. Es ist das legitime Recht einer Landtagsabgeordneten, sich zum Standort von Landeseinrichtungen in ihrem eigenen Wahlkreis zu äußern. Wir erachten es – um den gleichen Begriff zu wählen wie der Oberbürgermeister – als „unerträglich“, dass Eckart Würzner hier die demokratischen Spielregeln nicht akzeptiert und die Rechte von Gemeinderat und Landtagsabgeordneten missachtet oder übergeht.

    • Die Grünen werden von Würzner kritisiert, weil sie das Bürgerbegehren beachten und sich für eine Aufhebung der Beschlüsse zu den Wolfsgärten einsetzen. Sie sollten „Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen“. – Als ob das Reagieren auf den durch 10.000 Unterschriften zum Ausdruck gebrachten Bürgerwillen nicht verantwortungsbewusst sei und es nicht eine Entscheidung sei, den Bürgerwillen zu respektieren. „Die Worte Bürgerbeteiligung, Bürgerwillen, Bürgerschaft, Zivilgesellschaft usw. kommen im gesamten Interview gar nicht vor. Das ist alarmierend. Mit einer solchen Haltung kann man Heidelberg nicht dauerhaft repräsentieren“, erklären die Vertrauenspersonen. Stattdessen stellt Würzner im Interview die Heidelberger Bürgerinnen und Bürger als uninformierte, leicht manipulierbare und vorurteilsbehaftete Personen dar.  Er unterstellt, die Unterstützer:innen des Bürgerbegehrens hätten die Wolfsgärten noch nie besucht und wüssten nicht, wovon sie reden. Dabei sollte ihm bekannt sein, dass z.B. die evangelische und katholische Flüchtlingsseelsorge im Herbst mehrere sehr gut besuchte Exkursionen in die Wolfsgärten durchgeführt hat. „Schon die Lautstärke zwischen Autobahnen und Bahntrasse ließ die Teilnehmenden hören, dass die Wolfsgärten kein Ort sind, an dem Geflüchtete zur Ruhe kommen können“, erklärt Sigrid Zweygart-Pérez, Flüchtlingspfarrerin in Patrick-Henry-Village und Vertrauensperson des Bürgerbegehrens.

    • „Wenn 10.000 Unterzeichnende in der Stadt sich für einen Bürgerentscheid einsetzen, sollte ein Oberbürgermeister die Aufmerksamkeit und den Respekt gegenüber der Zivilgesellschaft aufbringen, sich auf Vorschläge, Argumente und Sorgen der Menschen einzulassen. Davon ist bei Eckart Würzner nichts zu spüren. Augen zu und durch ist aber heute kein gangbarer Weg mehr“, fügt Dorothee Hildebrandt hinzu.  

„Wir bedanken uns bei jenen Fraktionen und Mitgliedern des Gemeinderats, die zu einem Dialog bereit sind, und die entweder für die Übernahme unseres Bürgerbegehrens gestimmt haben (SPD, Die Linke, GAL, Bunte Linke, Heidelberg in Bewegung, PARTEI), oder die sich für die Aufhebung des Standortbeschlusses Wolfsgärten ausgesprochen haben (Bündnis 90/Die Grünen).“, ergänzen die drei Vertrauenspersonen.

03.01.2021 - 17:15